Stadtrat beschließt Haushalt 2024
Die Linke kann dem Haushalt nicht zustimmen. Wir sind verwundert, wie schnell und katzbuckelig die übrigen Parteien den Rotstift anlegen. Die Linke ist die einzige politische Kraft, die Ursachen beim Namen nennt.
In ihrer Haushaltsrede prangert unsere Stadtverordnete Angela Gradler-Gebecke die seit Jahrzehnten andauernde Unterfinanzierung der Kommunen an.
Hier ihre Haushaltsrede in voller Länge:
Angela Gradler-Gebecke im Rat der Stadt Minden am 27. Mai 2024
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,
erstaunlich, wie geräuschlos der Haushalt 2024 in einer Kommune, der Bürgerschaft und der Politik über die Bühne geht. Statt in den Ausschüssen über den richtigen Kurs zu ringen, macht sich eine gewisse Ergebenheit gegenüber der vorhandenen Haushalts-Situation breit, wenn nicht gar eine Resignation.
Sicher, vorgesehene Kürzungen im Kulturbereich und bei den Jugendhäusern wurden jetzt zurückgenommen, was wir uneingeschränkt begrüßen und unterstützen. Allerdings ist dies auch nicht unbedingt einer vorherigen Diskussion in den Ausschüssen geschuldet. Dabei wird im Rahmen der Arbeit in den Jugendhäusern schon seit Jahren der Mangel beklagt, Ausgaben für Sachkosten und Exkursionen erreichen nicht das Vor-Corona-Niveau. Gemeinsame Erlebnisse wären für die dort betreuten Kinder und Jugendliche sicherlich besonders wertvoll, wenn Elternhäuser diese finanziellen Mittel nicht erübrigen können.
Ich möchte an dieser Stelle an einen Satz von Frau Gerda Holz erinnern, die als letztjährige Referentin der Bildungskonferenz darauf hinwies, dass eine Unterversorgung von Menschen immer im Verhältnis zur Gesellschaft, in der sie leben zu betrachten sind. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sich hier kaum jemand in eine Lage versetzen kann, dass man sich in der letzten Woche des Monats ausschließlich von Nudeln mit Tomatensoße ernähren muss, weil das Geld aufgebracht ist. Vielleicht noch der eine oder die andere in Rückbesinnung auf die Studienzeit.
Gleiches gilt für die Stadtteilarbeit und die Begegnungszentren in den Stadtteilen. Eine Kürzung des Budgets für das Stadtteilmanagement mit einer gleichzeitigen Kürzung der Quartierfonds ist für Die Linke nicht hinnehmbar. Es mutet geradezu grotesk an, wenn zum einen im Managementplan und der strategischen Zielausrichtung die qualitative Weiterentwicklung der interdisziplinären sozialraumorientierten Arbeit, die Unterstützung und Förderung des Quartiersmanagements Innenstadt und die Verstetigung und Aktualisierung der Quartierfonds und der Quartiersbeiräte benannt wird als mit Priorität 1, gleichzeitig aber die Förderung des Quartiersmanagements Innenstadt zum Ende des Jahres ausläuft und sich eine weitere Unterstützung nicht abzeichnet.
Gleiches gilt für die Bewegungswelten im Stadtteil Bärenkämpen. Hier kann mit wenig Geld die Gesundheitsentwicklung von Kindern gefördert, Kontakt aufgebaut werden und gelingende Integration befördert werden. Ebenso kritisieren wir die Absenkung des Ansatzes für die Integrationsmaßnahmen. Die angelaufene Gesundheitssprechstunde im Begegnungszentrum Bärenkämpen sollte fortgeführt werden, diese sehen wir als Ansatz zur Prävention und Aufklärung nicht nur für Menschen mit internationaler Familiengeschichte.
Seit Jahren fährt man in Land und Bund die Strategie, die Grundversorgung immer mehr herunterzufahren und stattdessen für wichtige Aufgaben Förderprogramme aufzusetzen. Für diese müssen die Kommunen einen Eigenanteil stemmen. Damit wälzen Landes- wie Bundesregierung die Bewältigung drängender Probleme auf die Kommunen ab. Das können wir uns nicht mehr leisten. Dieses gilt neben den Ausgaben für soziale Einrichtungen auch für die Kultur.
Kunst und Kultur spielt eine bedeutende Rolle für die Inklusion und Integration. Indem Menschen Teil der Kulturlandschaft sind - aktiv oder konsumierend - identifizieren sie sich mit ihrem Wohnort, beleben diesen und machen ihn erst zu einem lebenswerten Ort. Kunst schafft Perspektivwechsel und eröffnet Auseinandersetzung mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in anderen Zusammenhängen und eröffnet so Chancen.
So löblich es ist, wenn Menschen der Stadt große Vermögenssummen für öffentliche Aufgaben im Kulturbereich und anderweitig testamentarisch vermachen - das kann uns aber nicht davon entbinden, Kulturarbeit als Pflichtaufgabe zu sehen. Anstatt auf Erbschaften angewiesen zu sein, die wohlhabende Menschen verteilen, sollten hohe Einkommen und Vermögen grundsätzlich so besteuert werden, dass gesellschaftliche Aufgaben erfüllt werden können.
Der Druck auf Parteiführungen, die in Land und Bund Regierungsverantwortung haben, muss erhöht und eine Rückkehr zur Verantwortung und Konnexität eingefordert werden!
Wer vollmundig die politische Entwicklung und Stärkung der rechten Parteien in diesem Land beklagt, der darf nicht die Möglichkeiten der Teilhabe einschränken. Wenn dies auch keine Garantie bietet vor den politischen Rattenfängern gefeit zu sein und mit dem rechten Gedankengut zu sympathisieren, so besteht doch immerhin bei jeder Begegnung die Möglichkeit zum Gedankenaustausch, andere Blickwinkel einzunehmen und den demokratischen Austausch zu stärken. Menschen wenden sich ab von den demokratischen Parteien, weil sie Angst vor dem sozialen Abstieg haben, weil Sie sich in ihren Ängsten und Sorgen nicht wahrgenommen fühlen. Der soziale Friede in dieser Stadt kann bewahrt und gestärkt werden, indem wir auf Missstände schauen und den Mut haben, diese zu verändern.
Dies betrifft auch die Erhöhung der Hebesätze für die Grundsteuer B. Denn diese Steuer betrifft alle, Hausbesitzer, Mieter, Firmen und kommunale Einrichtungen.
Nun ist die Linke ja nicht grundsätzlich gegen Steuererhöhungen, allerdings fordern wir diese an anderer Stelle.
Exemplarisch möchte ich hier nur einmal die Übergewinnsteuer nennen. Im Jahr 2022 in aller Munde, mittlerweile in vielen europäischen Ländern eingeführt, ist es in Deutschland dazu ziemlich still geworden und dies sicherlich nicht weil sich z.Zt. die Preissteigerungsrate bei 2,2 % eingependelt hat, sondern Steuererhöhungen wie Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer, Anhebung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer keine beliebten Themen auf der Bundesebene sind.
Genauso wenig wie die Abschaffung der Schuldenbremse oder zumindest eine grundlegende Reform dieser, wie auch vom deutschen Institut für Wirtschaftsforschung gefordert. Herr Lindner hat nur keine Probleme mit der Schuldenaufnahme in Hinblick auf seine Aktienrente.
So kann man künstlich den Staat arm rechnen, die Vermögenden schonen und die Kommunen noch zum Gürtel enger schnallen anhalten.
Sie werden es schon richten, so wie sie es in den vergangenen 20 Jahren gerichtet haben und ihre kommunalen Steuern erhöhen, allem voran die Grundsteuer B. Sehr gut zu sehen, wie der durchschnittliche Satz von 460 Punkten auf 605 Punkte in den letzten 10 Jahren gestiegen ist.
Trotzdem vergrößert sich der Investitionsstau, und wir hinterlassen unseren Kindern zwar weniger monetäre Schulden, dafür aber eine marode Infrastruktur.
Gegenüber dem durchschnittlichen Hebesatz von 605 Punkten stellt sich Minden mit 560 Punkten noch moderat auf und geht im Vergleich zu der Zeit von vor 10 Jahren noch nicht auf den Durchschnittssatz. Geplant ist allerdings in zwei Jahren ein Hebesatz von 660 Punkten. Und wir wissen noch nicht, welche Hebesätze uns aufgrund der Grundsteuerreform im nächsten Jahr erwarten.
Schaut man sich die umliegenden Hebesätze an, so würde Minden nach dem heutigen Beschluss nur noch Preußisch Oldendorf und Espelkamp über sich haben, in OWL Gütersloh und Bielefeld, im angrenzenden Niedersachsen findet sich keine Kommune oberhalb der 500 Punkte.
Die Attraktivität der Stadt wird dadurch sicher nicht gesteigert.
Steigende Kosten für die einzelnen Bürger*innen - und das bei einem gestiegenen Realeinkommen von sage und schreibe 0,1 % seit 2019.
Die berechtigten Tariflohnsteigerungen werden im Vorbericht zum Haushalt viermal als hoch beschrieben, ebenfalls wird der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass die Lohnabschlüsse zu einer Belebung der Konjunktur führen. Und so sollte es auch sein - allerdings werden 0,1 % dazu nicht ausreichen.
Die Erhöhungen der Gebührensätze sind an vielen Stellen unverhältnismäßig hoch, und nicht in den sozialrechtlichen Regelsätzen enthalten; hier spreche ich von Gebühren für den Aufenthaltstitel. Warum man diese Gebühren mit den entsprechenden Steigerungsraten so ausgewählt hat, ist wenig transparent.
Ein Verzicht auf’s Rats-TV ist nicht hinnehmbar. Es sollte an dieser Stelle lieber ernsthaft über eine Verkleinerung des Rates nachgedacht und die Zuschauerreihen wieder vergrößert werden.
Die Liste ließe sich noch weiter verlängern, mindestens die Hälfte der HSK –Maßnahmen sind zu hinterfragen oder abzulehnen. Dies heißt für uns an dieser Stelle, dass wir dem Haushalt 2024 und dem Haushaltssicherungskonzept nicht zustimmen werden.