Stellungnahme: Aufregung um Facebook-Post

Fraktion Minden

Nach den Vorwürfen gegen eine Genossin nimmt die Fraktion der Partei DIE LINKE öffentlich Stellung. Eine entsprechende Bürgeranfrage wurde vom Rat der Stadt Minden am 09.09.2021 mehrheitlich abgewiesen, da sie nicht die Belange der Stadt betreffe. DIE LINKE enthielt sich, da die Fraktion den Vorgang gerne aus ihrer Perspektive eingeordnet hätte

 

Die Anschuldigungen gegenüber der Sachkundigen Bürgerin waren an die Fraktion und den Bürgermeister herangetragen worden, nachdem diese auf Facebook sich in drastischer Weise gegenüber der so genannten "Alternative für Deutschland" geäußert und deren Verbot gefordert hatte. Dafür wurde sie vom ehemaligen AfD-Mitglied Burkhard Brauns der Hassrede beschuldigt. Von verschiedenen Seiten wurde gefordert, sie solle ihr Mandat als Sachkundige Bürgerin niederlegen.

Die Fraktion äußert sich heute auch im Namen des Kreisverbands und möchte klarstellen, dass solche Textpassagen nicht - wie von manchen Personen fälschlich behauptet - auf der Facebook-Seite des Kreisverbands DIE LINKE gestanden haben. Das konnten sie auch nicht, denn die von Herrn Brauns der Hassrede beschuldigte Sachkundige Bürgerin hat dort kein Schreibrecht. Ein solcher oder ähnlich lautender Text war zu keiner Zeit öffentlich und nur für wenige Minuten auf der privaten Facebookseite unserer Genossin, nur für Mitglieder ihrer Freundesliste einsehbar.

"Unsere Fraktion sowie der Kreisvorstand haben in verschiedenen Gesprächen mit unserer Genossin die schriftlichen Äußerungen besprochen und unsere Kritik – dort wo sie angebracht ist - deutlich gemacht." erklärt Gesine Frank, Stadtverordnete und Mitglied des Kreisvorstands.

Stellungnahme der Fraktion DIE LINKE. Minden

von Gesine Frank

Facebook & Co haben erwiesenermaßen eine große Macht, wenn es darum geht politische Stimmungen zu beeinflussen. Obwohl wir es als politisch Aktive eigentlich sollten, beteiligen unsere Fraktionssprecherin und ich uns bewusst nicht an Auseinandersetzungen in den so genannten „sozialen Netzwerken“. Für uns ist es schlicht keine geeignete Form Kontroversen auszutragen und Meinungsverschiedenheiten zu erörtern.

Als Pazifistin trete ich für ein friedliches Miteinander ein. Das beinhaltet friedliche Konfliktlösung ohne Gewalt, einschließlich verbaler Gewalt. Für die meisten Menschen ist dies ein Lernprozess – da schließe ich mich selbst gerne ein. Bei Debatten über Themen, die mich emotional bewegen, fällt es auch mir viel schwerer cool zu bleiben. Insbesondere bei rassistisch motivierter Hetze und Ausgrenzung, auch vor dem Hintergrund der unfassbaren deutschen Verbrechen im 20. Jahrhundert.

Rechte Ideologien, rassistische Gewalttaten und offene Alltagsrassismen fordern unsere Gesellschaft heute heraus wie seit der Befreiung vom Nationalsozialismus nicht mehr. Um ein Auseinanderdriften unserer Gesellschaft zu verhindern, ist es besonders wichtig, Opfern und marginalisierten Menschen zuzuhören und ihnen Respekt entgegen zu bringen.

Viele Vorfahren unserer Genossin Janine Rutkowski wurden in Konzentrationslagern gequält und ermordet. Sie selbst lebt nur, weil ihre Großeltern sich im Mindener Wald vor den Nationalsozialisten verstecken konnten, Wurzeln aßen, um nicht zu verhungern. Janine Rutkowski hat als Angehörige der traumatisierten Minderheit der Sinti von klein auf Rassismus erlebt. Sie hat sich immer mit aufrechter Haltung dagegen gewehrt, sei es in der Schule, gegenüber Lehrer:innen ihrer Kinder oder bei Rassismen seitens der Behörden – von all dem kann sie viel erzählen. Vor einigen Monaten wurde ihr Auto in einem Parkhaus beschossen und zertrümmert – schrottreif -, während sie selbst an einer Black-Lives-Matter-Demonstration teilnahm. Auf den Überwachungsvideos erkannte man zwar keine Gesichter, aber ein AfD-Aufnäher an der Kleidung eines Täters war deutlich sichtbar.

Permanente Provokationen und Hassreden, die gegen ihre Person, ihre politische Überzeugung, sowie gegen die Minderheit, der sie angehört, gerichtet sind, ist unsere Genossin seit Jahren ausgesetzt. Und das gehört zur Historie genau dieser Posts über den wir her sprechen. Janine Rutkowski weicht den rassistischen Hetzen auf Facebook nicht aus, sie stellt sich und verhindert, dass hier nichts ohne Echo der Gegenseite bleibt. Ich persönlich finde das mutig.

Wenn ein Mensch dabei emotional überreagiert und selbst eine drastische Wortwahl wählt, ist das kritikwürdig aber für mich im Einzelfall nachvollziehbar. Wenn sie schrieb „Tod der AfD“ ist das eben so wenig ein Aufruf zum Mord wie der Ausruf „Tod der Sprache“, letzteres findet in den eindimensionalen Sprachräumen der so genannten Sozialen Netzwerke leider allzu oft statt.

Meine Wortwahl wäre vieles davon nicht gewesen, aber „Sozialstunden in einem KZ“ zu leisten – wie unsere Genossin es wörtlich geschrieben hat – halte ich für viele Mitbürger:innen angebracht, nicht nur für Mitglieder der so genannten Alternative für Deutschland.

Abschließend möchte uns allen empfehlen, zum respektvollen Meinungsaustausch von Angesicht zu Angesicht zurückzukehren. Ich sollte jeder Person in die Augen sehen können, der ich die Meinung sage, insbesondere in einer Gruppe mit unterschiedlichen Ansichten.

Lassen Sie uns als Gesellschaft den Weg zurück in reale Debatten finden. Und wenn Sie sich dennoch mal auf Facebook & Co verirren sollten – entgegnen Sie rassistischen Aussagen mit klarer humanistischer Haltung.